Ein Paradies für 24 Stunden

Du schaust aus dem Fenster und hast diesen Ausblick! Wenn das nicht paradiesisch ist!

Ich habe mich in einem Anflug von Leichtsinn für das Mercure Hotel entschieden. Für eine Nacht kann ich den dreifachen Preis verkraften. Ich weiß, dass es hier einen Pool gibt, der direkt über dem Meer zu liegen scheint. Klar, wo ich meine Zeit verbringe!

Mein Versuch einen neuen Bikini zu kaufen, ist fehlgeschlagen. Ich wünschte, ich hätte meine Skrupel über Bord geworfen und mich wie eine Brasilianerin zu fühlen versucht! Die lieben ihre Körper, ob dick oder dünn, mit oder ohne Falten, alt oder jung. Sie zeigen voll Stolz was sie haben - oder eben nicht haben. Aber ein Gutes hat natürlich auch mein keuscher Badeanzug: ich hätte einen viel großflächigeren Sonnenbrand haben können. Und dabei habe ich nur unter dem Sonnenschirm gelegen - außer den vielen Malen, die ich in den Pool gestiegen bin! Um mein Glück perfekt zu machen, gibt es einen Caipirinha an der Poolbar und damit ich nicht trunken herum torkel, etwas zu Essen.

Es gibt immer etwas zu sehen. Hier rutscht gerade ein Schiff am Horizont entlang. Ansonsten ist Entspannung angesagt. Wenn ich nicht schwimme oder mich umschaue, lese ich.

Um halb sechs Uhr bin ich mit dem Fotoapparat unterwegs, um den Sonnenaufgang festzuhalten. Noch ist alles leer und angenehm kühl. Das wird sich schnell ändern!

Heute ist ein Festtag. Die Meeresgöttin Iemanja hat am 2. Februar ein großes Fest. Und das Festgelände beginnt am Hotel, geht an meinem Lieblingsplatz mit den Restaurants vorbei bis auf die große Straße, die normalerweise so viel Verkehr führt, dass du kaum auf die andere Seite gelangst. Heute ist alles gesperrt. Fröhliche Menschenmassen, sehr gerne weiß gekleidet, tanzen, marschieren, flanieren über die Straße. Ich treffe auf zwei Umzüge - vielleicht ist es auch nur einer, der so weit auseinander gezogen ist,  begleitet  von Bands, die vorwiegend trommeln. Welch eine Stimmung!

Hier am Strand findet die eigentliche Zeremonie statt. Die Menschen bringen der Meeresgöttin Iemanja ihre Opfergaben. In der Regel sind es Blumen. Aber ich habe gelesen, dass auch Parfumfläschchen, Puppen oder andere Dinge geopfert werden. Ganze Körbe mit Blumen werden dem Meer übergeben. Ich habe lange zugeschaut und kein Korb hatte die Chance mit seinen prächtigen Blumen aufs Meer zu gelangen. Sie sind bei der ersten Brandungswelle über Kopf gegangen, die Blumen schwimmen auf dem Wasser und der Korb munter hinterher. Leider gehören zur Deko Kunststoffdecken, um den Korb noch eleganter aussehen zu lassen, die schwimmen jetzt auch. Aber da unzählige Plastikflaschen auf dem Meer unterwegs sind, kommt es wohl auch nicht mehr auf die Deckchen an. Ehe die Körbe zu Wasser gelassen werden, gibt es noch eine Weihe. Die nimmt der Mann in Blau vor.

Die Zeremonie gehört zu dem Glauben, den die Sklaven, die die Portugiesen als Arbeitskräfte für ihre Zuckerrohrfelder benötigten, aus ihrer alten Heimat Westafrika, mitgebracht haben. Natürlich war den Sklaven der damaligen Zeit bei Androhung höchster Strafe verboten, ihren afrikanischen Glauben auszuüben. Vieles ist im Laufe der Jahrhunderte gemischt worden mit dem katholischen Glauben. Heute ist es so, dass nicht nur schwarze Menschen, sondern auch Weiße ihre Blumensträuße Iemanja zum Opfer darbringen. Und bei der ausgelassenen Feier hinterher, bei der das Bier in Strömen fließt, sowieso.

Ich halte einfach einmal den Fotoapparat in die Höhe und drücke auf den Auslöser. Das Resultat ist ein wenig verwackelt, aber die Dichte ist klar zu erkennen.

Und wo lege ich mein müdes Haupt am Ende des Tages hin? Ich bin schon wieder umgezogen. Mein drittes Hotel in vier Tagen! Solange ich unterwegs bin, ist das nichts Besonderes, aber ich bin nicht unterwegs. Ich bin immer noch in Rio Vermelho! Pousada Pedra da Concha hat versehentlich das mir versprochene Zimmer jemandem anders gegeben. Langer Rede kurzer Sinn, sie versuchen den Schaden zu beheben, in dem sie mir eine andere Unterkunft suchen. Jetzt bin ich für die letzten drei Nächte direkt am Meer, im Hotel Vilamar.

Gute Nacht!

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