Piripiri und "umzu"

In dem dicken Reiseführer über Südamerika habe ich einen interessanten Artikel über den Nationalpark Sete Cidades gefunden. Von ungewöhnlichen Felsformationen und Höhlen bis zu alten Felsmalereien gibt es alles, was mich interessiert. Also, nichts wie hin.

Das Ticket für die Weiterreise habe ich mehr als verdient durch langes Anstehen an einer nicht enden wollenden Schlange. Der freundliche Rezeptionist in der Pousada hatte mir geraten - nachdem seine Versuche mir übers Internet ein Busticket zu besorgen, fehlgeschlagen waren - mal schnell ein paar Blöcke weiter zu laufen zu einem großen Kaufhaus, wo die Busgesellschaft Tickets verkauft. Irgendwann hat es geklappt und so konnte ich abends meine Reise fortsetzen.

Mein Bus erreicht Piripiri gerade zu Sonnenaufgang. Noch im Busterminal kaufe ich mir einen  für Brasilianer super leckeren Kaffee, in dem mindestens zwei Löffel Zucker zuviel enthalten sind. Macht nichts, Kaffee muß sein! So gestärkt versuche ich ein Taxi zu ergattern. Neben mir sitzt ein Herr in den besten Jahren. Er trägt ein Leibchen, wie ich früher meinen Kindern über den Kopf gezogen habe, damit sie ihre Pullis nicht vollkleckern. Auf seinem Kittel steht die Info "Motor Taxi". Genau das brauche ich! Ich stubse ihn an und mache ihm irgendwie klar, dass ich ein Taxi benötige. Der Gute will nicht. Beim zweiten Versuch erkenne ich, warum er nicht will: sein Motor Taxi ist ein Motorrad und er kann mein Gepäck nicht unterbringen!! Da hat er ja nicht ganz unrecht. Obwohl ich in Afrika schon gesehen habe, dass zusätzlich zum Gepäck eine Ziege transportiert wird.

Ich finde noch ein echtes Taxi und nach längeren Verhandlungen einigen wir uns auf 70 Rs. Wir brausen los. Es sollen 20km bis zu meiner Unterkunft sein, die direkt am Parkeingang liegt. Wir zwei Alten schweigen gemeinsam - wobei ich mit Sicherheit die Jüngere von uns beiden bin! Das wird bestätigt durch einen kleinen Zwischenfall, einen quer auf die Straße gestürzten Baum betreffend. Mein Alterchen fährt in gleicher Geschwindigkeit weiter und wenn ich nicht von hinten mindestens dreimal "Vorsicht" gebrüllt hätte, wäre meine schöne Reise wohl fürs erste beendet gewesen.

Wir halten an einem Schlagbaum an. Der Parkwärter erklärt, vor 8h  sei hier geschlossen. Also fahren wir zuerst zum Hotel. Hier finden wir gemütlich frühstückende Männer, die mir gerne ein Zimmer für zwei Nächte vermieten. Dass es sich um eine Fazenda handelt, erkenne ich direkt an drei mageren Hühnchen, die  fast ohne Federkleid, aber stolz wie Oskar, über den Hof marschieren. Vielleicht sind sie auch nur zu jung, um schon mehr als  drei Federn in vier Reihen zu haben!? Außer einem Kätzchen mit normalem Aussehen, rennt noch ein Papagei auf einem höher gelegenen Brett unter der Veranda auf und ab. Er ahmt so perfekt eine Kinderstimme nach, dass ich mich suchend umdrehe, um das Kind zu sehen.

Mittlerweile ist es schon kurz nach 7h und ich bestelle Kaffee für den Fahrer und mich. Wir bekommen auch etwas zu essen.

Ich ziehe mich um. Feste Schuhe sind nötig und ein Kleidungsstück mit langen Ärmeln. Mückenspray hatte ich schon beim ersten Angriff verwendet.

Um 8h stehen wir wieder vor der Schranke und diesmal wird sie auch gehoben. Wir fahren noch einmal sechs Kilometer bis zur Parkstation.  Ein junger Ranger zeigt mir auf der Karte die Strecke, die wir laufen werden. Gut, dass ich auch Wasser mitgenommen habe. Es wird heute wieder schön mollig werden. Nach dem Abschied von meinem Taxifahrer, der mir noch seine Visitenkarte in die Hand drückt, geht unsere Wanderung los.

 

Wer etwas überrascht auf dieses Foto schaut, wird jetzt staunen: es handelt sich um Spuren.  Um Puma Spuren!  Vielleicht hat mein junger Ranger gemeint, für eine vierstündige Wanderung durch den Busch muß ich bei einem Preis von 180 Rs schon etwas Besonderes bieten. Da ist eine Puma Spur gerade das Richtige. Vielleicht ist unter Euch  ein alter Fährtenfuchs, der sich auskennt?

Das ist mal was, solche Strukturen auf einem Felsen habe ich noch nie gesehen! Dafür nehme ich jeden Schmerz in Kauf!

Der hier angedeutete Schmerz beginnt schon nach den ersten Metern. Die festen Schuhe trage ich seit zwei Jahren. Sie haben nie gedrückt. Und heute scheuert es an der rechten Ferse. Ich ziehe den Schuh aus und überprüfe mit dem Finger sein Innenleben. Nichts, alles glatt. Ich quäle mich wieder hinein - man bedenke, die Füße sind geschwollen und ich habe keinen Schuhanzieher dabei - und das Scheuern bleibt. Ich versuche mich durch Staunen vom Schmerz abzulenken und tapfer weiter durch den Sand zu stapfen.

Ganz genau. So wie du gerade gedacht hast heißt der Berg: Elefant.

In Wirklichkeit ist der Fels viel beeindruckender als mein Foto zeigen kann! Dass die liebe Sonne vom Himmel lacht, ist nicht zu übersehen. Glücklicherweise habe ich meinen neuen Herrenhut mitgenommen und da es windstill ist, brauche ich auch nicht hinter ihm her zu sausen.

Der Führer vorneweg und die Leidende hinterdrein. Als wir oben ankommen, gibt es eine längere Pause. Mein Wanderpartner rät mir den Schuh auszuziehen und die Wunde durch die leichte Briese zu kühlen. Er würde mir auch beim Anziehen helfen. Um den Schuh auszupolstern gebe ich ihm ein Tempotaschentuch.

Es geht noch ein wenig höher und dann hat man einen herrlichen Blick über den Busch, in dem die sieben Städte versteckt liegen.

Vor 60 Jahren ist dieser Nationalpark eröffnet worden. In der Brochüre, die ich im Hotel gefunden habe, steht: "... Die ``Sieben Städte waren magische Plätze, wo die verirrten Wanderer in der Nacht Schutz gefunden haben. Am nächsten Tag erwachten sie früh morgens in der Realität: diese magischen Landschaften waren nur Gruppen von Steinen."

 

 

Um 12h  sind wir wieder im Camp. Mein neuer Freund leiht von einer Kollegin Moped und Helm und fährt mich die 6 Km zurück zu meinem Hotel.

Über diese Fahrt möchte ich nur sagen, dass ich sehr, sehr dankbar war, nicht laufen zu müssen. Wenn mein Fuß nicht so weh getan hätte, wäre ich vielleicht nicht auf das kleine Ding geklettert, um 6 km Bushroad auf " Wellblech" zu hoppeln. Aber wir sind gut angekommen, weder bin ich - wie Omi früher- herunter gesaust, noch ist der Helm mir so weit über die Nase gerutscht, dass der Tripp in einen Blindflug ausgeartet wäre. Und mein freundlicher Fahrer hatte genug Speck am Bauch, an dem ich mich festkrallen konnte.